
Wasser ist das stille Herz des Kaffees – von der Plantage bis zur Tasse
Wasser – oft übersehen, doch essenziell für Kaffee. Im Interview erklärt Pira Balasingam, Gründer der Londoner Cafékette Sendero Speciality Coffee, warum Wasser nicht nur den Geschmack beeinflusst, sondern auch ein Schlüssel zu nachhaltigem Kaffeeanbau ist.

Pira Balasingam | Gründer Sendero Coffee | Kaffeeexperte | Weltenbummler | Familienmensch
Vitalhelden: Hallo Pira, schön, dass du heute bei uns bist! Bei Sendero Speciality Coffee gehts um mehr als nur guten Geschmack. Warum spielt Wasser aus deiner Sicht eine so zentrale Rolle – nicht nur beim Aufbrühen, sondern auch beim Kaffeeanbau?
Pira: Hallo und danke für die Einladung. Wasser wird beim Thema Kaffee oft unterschätzt – dabei ist es von der Herkunft bis zur Zubereitung ein entscheidender Faktor. In der Tasse besteht Kaffee zu rund 98 % aus Wasser, klar. Aber auch auf den Kaffeeplantagen ist Wasser lebenswichtig: für die Pflanzen, für die Verarbeitung der Kaffeekirschen und für die Menschen, die dort arbeiten. Wenn wir über nachhaltigen Kaffee reden, müssen wir also immer auch über verantwortungsvollen Umgang mit Wasser sprechen.
Nachhaltiger Kaffeeanbau bedeutet deshalb: Wasser sparen, Wasser reinigen und Wasser schützen. Einige unserer Partnerfincas in Peru und Kolumbien arbeiten mit geschlossenen Wasserkreisläufen, nutzen Regenwasser oder setzen auf trockene Verarbeitung („natural“ oder „honey processed“), um Wasser zu sparen. Das hat auch sensorisch spannende Ergebnisse.

Sendero Standort in Brixton in einem Bahnbogen, London
Vitalhelden: Klingt so, als wäre Wasser ein unterschätzter Nachhaltigkeitsfaktor. Wie wählt ihr eure Partnerfarmen aus?
Pira: Wir versuchen unsere Kaffeefarmen zu besuchen und möglichst auch die Farmer persönlich kennenzulernen. Bei uns steht nicht der Profit im Vordergrund, sondern für uns zählen vier Dinge: Qualität, Transparenz Nachhaltigkeit und Menschlichkeit. Nur wenn diese Dinge stimmen, kann langfristig eine wertgeschätzte und auch wertschöpfende Geschäftsbeziehung aufgebaut werden.
Viele der Farmen, mit denen wir arbeiten, liegen in Höhenlagen mit empfindlichen Ökosystemen. Dort ist der richtige Umgang mit Wasser entscheidend – für die Umwelt, aber auch für die Communities. Wir achten darauf, dass es Wasserschutzmaßnahmen gibt: z. B. sedimentierte Klärteiche, natürliche Filterung durch Gesteinsschichten oder die Wiederverwendung von Prozesswasser.
Ein Beispiel: In Cajamarca (Nordperu) arbeitet eine Kooperative, die den Wasserverbrauch beim Waschen um mehr als 60 % reduziert hat – durch optimierte Fermentation und Wasserrecycling. Das schützt nicht nur die lokale Quelle, sondern verbessert auch das Image und die Lebensqualität vor Ort.
Vitalhelden: Lass uns den Bogen zur Tasse spannen. Wie beeinflusst das Wasser den Geschmack von Kaffee?
Pira: Enorm. Selbst der beste Kaffee schmeckt schlecht, wenn das Wasser ungeeignet ist – zu hart, zu weich, zu chlorhaltig oder mikrobiell belastet. Viele merken gar nicht, wie sehr ihr Leitungswasser den Kaffeegeschmack „kaputtmacht“. Typische Probleme: Bitterkeit, dumpfer Nachgeschmack, fehlende Klarheit im Aroma.
Selbst der beste Kaffee schmeckt schlecht, wenn das Wasser ungeeignet ist...
Ein gutes Kaffeewasser ist frei von Schadstoffen, hat einen moderaten Mineralgehalt (ideal: ~150 ppm), ist neutral bis leicht sauer im pH-Wert (6,5–7,5) und frei von Chlor, Schwermetallen oder Mikroorganismen. Also: gutes, gefiltertes Wasser ist kein Luxus – es ist Voraussetzung für wohlschmeckenden Kaffee.
Vitalhelden: Welche Wasserfiltersysteme setzt ihr in euren fünf Cafés bei Sendero ein – und was empfiehlst du für Zuhause?

klasssich gefiltert - Piras Lieblingskaffee
Pira: In unseren Cafés nutzen wir kombinierte Filtersysteme: Aktivkohle und Ionenaustauscher. Diese mehrstufige Filterung holt den besten Geschmack aus unseren Kaffebohnen und zusätzlich verlängert es die Lebensdauer der Kaffeemaschienen, durch die Reduzierung von Kalk (Ionentauscher).
Eine solch optimale Filterung - im Hinblick auf den Kaffeegenuss - ist auch für zu Hause ohne Probleme möglich. Ich empfehle meist eine Aktivkohlefilterung mit zusätzlichen Ionentauscher, da gibt es mittlerweile sehr praktikable, bezahlbare und vor allem platzsparende Systeme für den Einbau unter der Spüle. Ich rate von den in vielen Haushalten gängigen Tischkannenfiltern ab, die haben mehr Nach- als Vorteile. Insbesondere die Keimbelastung, die meist in diesen Dingern herangezüchtet wird, ist erschreckend!
Ganz wichtig: Der Filter muss regelmäßig gewartet und gewechselt werden – aber das sollte für alle einleuchtend sein.
Vitalhelden: Kannst du ein Beispiel nennen, wie sich gefiltertes Wasser auf den Geschmack ausgewirkt hat?
Pira: Absolut. Wir hatten mal eine Kundin, die unsere Bohnen zuhause ganz anders empfand als in unserem Café: „Der Kaffee schmeckt bei euch viel blumiger und weicher“, sagte sie. Ihr müsst wissen, bei uns in London ist das Leitungswasser sehr hart, im Durchschnitt liegt er bei (~29 °dH). Wenn dann ungefiltertes Wasser zur Kaffeezubereitung benutzt wird, neutralisieren die im Wasser enthaltenen Mineralien wie Kalzium und Magnesium (also Kalk) die Kaffeearomen und lassen ihn bitter und/oder abgestanden schmecken. Zum Glück habt ihr in Deutschland meines Wissens nach nicht mit so hartem Wasser zu kämpfen wie wir in London.
Vitalhelden: Das ist wirklich ein sehr hartes Wasser, welches ihr in London habt. Ja das stimmt, hier bei uns in Deutschland schwankt die Wasserhärte je nach Region i.d.R. zwischen ~10 °dH bis um die ~16 °dH (aber dieser Wert kann regional auch höher liegen). Die Wasserhärte wird nicht im Rahmen der Trinkwasserverordnung geregelt.
Pira: Das zeigt, dass es sich auch bei euch lohnt mal zu prüfen, wie es mit der Wasserhärte lokal aussieht, um den Tag zukünftig mit noch besser schmeckenden Kaffee zu starten:)!
Vitalhelden: Pira, zum Schluss: Wenn du einen Wunsch frei hättest – was würdest du dir für die Zukunft von Kaffee & Wasser wünschen?
Pira: Dass wir lernen, Wasser wieder mehr wertzuschätzen – nicht nur als Mittel zum Zweck, sondern als aktiver Teil von Geschmack, Qualität und Verantwortung. Kaffee ist ein Naturprodukt, das von Menschen mit Hingabe angebaut wird – oft unter schwierigen Bedingungen. Wenn wir hier Kaffee trinken, sollten wir an den Weg und die Geschichte der Kaffeebohne denken, vom Ursprung bis zu uns und mir die Frage stellen: Wie kann ich selbst dazu beitragen, achtsam und nachhaltig zu genießen?
Wasser ist die Superkraft im Kaffee. Je bewusster wir damit umgehen, desto besser schmeckt er – und desto fairer wird er für alle Beteiligten.
Vitalhelden: Vielen Dank, Pira. Das war nicht nur spannend, sondern regt zum Nachdenken und Hinterfragen an.
Pira: Danke euch – schön, dass ihr das Thema Wasser in den Mittelpunkt stellt!

Pira vor dem ersten Sendero Coffee Shop in Clapham London