Am 24. Juni 2023 ist in Deutschland die neue Trinkwasserverordnung 2023 in Kraft getreten. Sie soll die einwandfreies Trinkwasser gewährleisten und dadurch unsere Gesundheit schützen. Stellt sie tatsächlich die große Novellierung nach fast 20 Jahren Stillstand dar und was bedeuten die Neuerungen für uns Verbraucher?
Grenzwerte für Trinkwasser
In Deutschland gibt es eine Reihe an Trinkwassergrenzwerten, um dafür zu sorgen, dass das Leitungswasser gesundheitlich unbedenklich ist. Die Grenzwerte sind in der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) aufgelistet, die regelmäßig aktualisiert wird. Sie sind in unterschiedliche Rubriken gegliedert, wie die chemischen Anforderungen, die mikrobiologischen Anforderungen und die radiologischen Anforderungen [1].
Ziel der Trinkwasserverordnung ist es, ein reines und genußtaugliches Trinkwasser zur Verfügung zu stellen, die letzte Erneuerung hat im Jahre 2023 stattgefunden. Die wichtigsten Anpassungen haben wir kurz zusammengefasst:
- Die Trinkwasserverordnung 2023 wurde von 25 auf 75 Paragraphen ausgeweitet.
- Die Änderungen in der Trinkwasserverordnung sind nicht ab sofort gültig und werden erst im Lauf der nächsten Jahre eintreten.
- Alle alten Bleirohre sollen bis Januar 2026 in Deutschland ausgetauscht oder stillgelegt werden.
- Die Grenzwerte der Schadstoffe Arsen, Blei und Chrom wurden gesenkt.
- Einige neue Schadstoffe wurden erstmalig in die Verordnung aufgenommen, wie z.B. PFAS.
- Viele Mikroschadstoffe wie z. B. Hormone, Mikroplastik oder Arzneimittel-Rückstände werden immer noch nicht überwacht.

Gesamtfassung:
Zum Nachlesen das Bundesgesetzblatt: Wortlaut Rechtstext der Novellierung 2023.[2]
Anforderungen chemischer Inhaltsstoffe
Durch den Menschen selbst und diverse Umwelteinflüsse gibt es chemische Substanzen im Wasserkreislauf deren Konzentration so gering wie möglich gehalten werden muss. Gelangen diese Stoffe in das Leitungswasser können sie auf den Menschen stark negative Auswirkungen haben.
Bei den neu hinzugefügten Schadstoffe in die Trinkwasserverordnung handelt sich genau um diese chemischen Inhaltsstoffe. Die Trinkwasserverordnung 2023 würde ergänzt um:
- Bisphenol A (BPA) kommt bei der Herstellung verschiedenster Kunststoffe zum Einsatz und kann auch über das Trinkwasser aufgenommen werden. Die Aufnahme von BPA ist bedenklich, da es hormonähnliche Effekte aufweist. [3]
- Chlorat und Chlorit sind Nebenprodukte von Desinfektionsverfahren. Sie gelten beide als gesundheitsschädlich: Chlorat kann die Funktion der Schilddrüse sowie die Produktion von Blutzellen beeinträchtigen. Auch die langfristige Aufnahme von Chlorit wirkt sich negativ auf die Gesundheit aus und kann erhöhten Blutdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zur Folge haben. [4]
- Halogenessigsäuren sind Chemikalien, die wie Chlorate und Chlorit bei der Wasseraufbereitung durch Desinfektionsmittel entstehen können. Sie stehen unter Verdacht in größeren Mengen krebserregend zu sein. [5]
- Microcystin-LR ist ein Toxin, das durch die Cyanobakterien (auch Blaualgen genannt) produziert wird. Gelangen diese ins Leitungswasser kann es bedenklich werden, da es sich um ein Lebergift handelt und möglicherweise krebserregend für den Menschen ist. [6]
- PFAS (Per- und polyfluoroalkylsubstanzen, auch bekannt als Per- und Polyfluorierte Chemikalien oder PFC) sind eine große Gruppe von künstlich hergestellten Chemikalien, die in unzähligen Industrieprodukten verwendet werden. Sie sind unter der Bezeichnung „langlebige“ bzw. „persistente“ Chemikalien bekannt, da sie in unserer Umwelt und in unserem Körper äußerst lange nachweisbar sind. Sie können zu Gesundheitsproblemen wie Leberschäden, Schilddrüsenerkrankungen, Fettleibigkeit, Fruchtbarkeitsstörungen und Krebs führen. [7]
Weitere bedenkliche Stoffe die bereits vor der Neufassung der Trinkwasserverordnung 2023 aus gutem Grund enthalten waren umfassen z.B.:
- Aluminium kann zu Blutanämie, Arthritis oder Beschwerden des Nervensystems führen. (Grenzwert unverändert bei 0,2 mg/l)
- Blei kann bei erhöhten Konzentration beispielsweise Bauchkrämpfe, Bluthochdruck, Immunschwäche oder Schlaflosigkeit auslösen. (Grenzwert reduziert 0,005 mg/l von vormals 0,01 mg/l)
- Kupfer kann in höheren Konzentrationen den Körper vergiften. (Grenzwert unverändert bei 2,0 mg/l)
- Nitrat wird in der Trinkwasseranalytik vorrangig als Indikator für Pestizide verwendet und kann im einer möglichen Reaktionskette von Nitrat-Nitrit zu Nitrosaminen umgewandelt werden. Letztere gelten als krebserregend. (Grenzwert für Erwachsene unverändert bei 50 mg/l für Nitrit Grenzwert ebenfalls unverändert bei 0,5 mg/l). Lesen Sie hierzu auch die Ausführungen zu Aktivkohlefilter und Nitrat in unseren FAQs.
In der Anlage 2 Teil I der TrinkwV sind die chemischen Parameter genannt, deren Konzentration sich im Verteilungsnetz einschließlich der Hausinstallation in der Regel nicht mehr erhöht.
Chemische Parameter Teil I | Grenzwert [mg/l] |
---|---|
Acrylamid | 0,0001 |
Benzol | 0,001 |
Bor | 1 |
Bromat | 0,01 |
Chrom | 0,025 |
Cyanid | 0,05 |
1,2-Dichlorethan | 0,003 |
Fluorid | 1,5 |
Microcystin-LR | 0,001 |
Nitrat | 50 |
Pflanzenschutzmittel u. Biozidprodukte | 0,0001 |
Pflanzenschutzmittel u. Biozidprodukte ges. | 0,0005 |
Quecksilber | 0,001 |
Selen | 0,01 |
Tetrachlorethen u. Trichlorethen | 0,01 |
Summe PFAS-20 | 0,0001 |
Summe PFAS-4 | 0,00002 |
In der Anlage 2 Teil II der TrinkwV sind die chemischen Parameter genannt, deren Konzentration sich im Verteilungsnetz einschließlich der Hausinstallation erhöhen kann.
Chemische Parameter Teil II | Grenzwert [mg/l] |
---|---|
Antimon | 0,005 |
Arsen | 0,01 (0,004 für Neuanlagen ab 12.01.2028) |
Bisphenol A | 0,0025 (ab 12.01.2024) |
Benzo-(a)-pyren | 0,00001 |
Blei | 0,01 (0,005 ab 12.01.2028) |
Chlorat | 0,07 |
Clorit | 0,2 |
Cadmium | 0,005 |
Epichlorhydrin | 0,0001 |
Kupfer | 2 |
Nickel | 0,02 |
Nitrit | 0,5 |
Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe | 0,0001 |
Trihalogenmethane | 0,05 |
Vinylchlorid | 0,0005 |
Holegenessigsäure (HAA-5) | 0,06 |
Grenzwerte für mikrobiologische und radiologische Anforderungen
Des Weiteren gibt es Grenzwerte für mikrobiologische Anforderungen. Dazu zählt, dass Keime eine bestimmte Konzentration nicht überschreiten dürfen, um eine Schädigung unserer Gesundheit auszuschließen. Fäkalbakterien wie E.coli haben zum Beispiel einen Grenzwert von 0, um Darminfekte zu vermeiden.
Legionellen haben einen Grenzwert von 100 koloniebildenden Einheiten auf 100 ml, da sonst die gefährliche Legionärskrankheit ausgelöst werden kann. Mit der neuen Trinkwasserverordnung 2023 wurde auch eine Anpassung in Bezug auf Legionellen im Trinkwasser vorgenommen, der Grenzwert bleibt unverändert aber der Zeitraum des Handlungsbedarfs ändert sich: Maßnahmen gegen die Süßwasserbakterien müssen nicht mehr erst ab einem Überschreiten des Grenzwerts ergriffen werden. Stattdessen besteht nun bereits ab dem Erreichen des unveränderten Grenzwerts Handlungsbedarf.
Radiologische Anforderungen beziehen sich auf die Verstrahlung des Wassers. Deutschland hat beispielsweise als einziges Land in der EU einen Grenzwert für Uran eingeführt. Dieser liegt bei 0,1 Mikrogramm pro Liter [8].
In der Anlage 1 Teil I der TrinkwV sind mikrobiologische Parameter genannt, deren Grenzwerte eingehalten werden müssen.
Mikrobiologische Parameter (Anlage 1 Teil I) |
Grenzwert |
---|---|
Escherichia coli (E. coli) in 100 ml | 0 |
Enterokokken in 100 ml | 0 |
In der Anlage 3 Teil 1 der TrinkwV sind die Indikatorparameter genannt, deren Grenzwerte und Anforderungen eingehalten werden müssen.
Indikatorparameter | Einheit | Grenzwert/ Anforderung |
---|---|---|
Aluminium | mg/l | 0,2 |
Ammonium | mg/l | 0,5 |
Chlorid | mg/l | 250 |
Eisen | mg/l | 0,2 |
Färbung (spektr. Absorptionskoeff. (Hg 436 nm) | m-1 | 0,5 |
Geruchsschwellenwert | 2 bei 12°C 3 bei 25°C |
|
Geschmack | ohne anormale Veränderung | |
Elektrische Leitfähigkeit | µS/cm | 2500 bei 20°C |
Mangan | mg/l | 0,05 |
Natrium | mg/l | 200 |
Organisch gebundener Kohlenstoff (TOC) | mg/l | ohne anormale Veränderung |
Oxidierbarkeit | mg/l O² | 5 |
Sulfat | mg/l | 240 |
Trübung | NTU | 1 |
Wasserstoff-Ionen-Konzentration | pH-Einheiten | ≥ 6,5 und ≤ 9,5 |
Tritium | Bq/l | 100 |
Gesamtrichtdosis | mSv/Jahr | 0,1 |
Grenzwerte für Mineralwasser
Die Trinkwassergrenzwerte gelten nicht für Mineralwasser. Für Mineralwasser gibt es einige gesonderte Grenzwerte, da es der Mineral- und Tafelwasserverordnung unterliegt und amtlich anerkannt sein muss. Es wird aus größeren Tiefen unterirdischer Wasservorkommen gewonnen und gilt daher als besser vor Verunreinigungen geschützt.
Kritik an der Trinkwasserverordnung
Die Trinkwasserverordnung gerät immer wieder in die Kritik. Zum einen sehen Wasserversorgungsgesellschaften eine überzogene Untersuchungspflicht. Zum anderen sehen Verbraucher ein Problem bei zu wenigen Kontrollen und fehlenden Grenzwerten.
Verdächtige Stoffe ohne Grenzwert
Positiv ist, dass die Trinkwasserverordnung 2023 um ein paar Schadstoffe erweitert wurde, andere Grenzwerte wurden (oder werden in Zukunft) sogar verschärft. Dennoch gibt es leider noch unzählige weitere Schadstoffe, die gar nicht in der Verordnung aufgeführt sind. Die Gründe hierfür sind vielfältig und mögen unter anderem an der Komplexität ihrer Filtrierung liegen.
Neben Chemikalien, Keimen und Bakterien kommen auch immer mehr Rückstände von Arzneimitteln in das Wasser und verschlechtern somit die Trinkwasserqualität. Das Umweltbundesamt zählt bereits 414 Wirkstoffe in der Umwelt und somit auch im Trinkwasser [9] – von Antibiotika über Schmerzmittel bis hin zu Hormonen der Antibabypille.

Bedenklich:
Da man sich über die Konsequenzen von Arzneimitteln im Trinkwasser nicht einig ist, gibt es bisweilen keinen Grenzwert für diese Stoffe.
In Seen und Flüssen liegt die Zahl der Wirkstoffe bereits im dreistelligen Bereich und Wissenschaftler gehen davon aus, dass dies nur die Spitze des Eisberges ist. Arzneimittel werden im Körper nicht vollständig abgebaut, dann aber ausgeschieden und gelangen so in die Klärwerke, wo sie nicht ausreichend gefiltert werden.
Für die überwiegende Beseitigung dieser Mikroschadstoffe wie Medikamentenrückstände, Hormonen, Keine, Mikroplastik oder anderen Chemikalien aus unserem Trinkwasser wäre eine
vierte Reinigungsstufe für Aufbereitungsanlagen
notwendig. Für diese Reinigunsstufe eignen sich spezielle Verfahren mit Adsorption durch Aktivkohle und mit Oxidation durch Ozonung. Leider ist diese vierte Stufe in der Praxis bisher noch selten – unter anderem, weil sie hohe zusätzliche Kosten verursachen würde. So handelt es sich hier meist um Pilotprojekte wie aktuell in Bayern. [10]
Solange der Großteil der Kläranlagen in Deutschland mit nur drei Reinigungsstufen arbeitet, kann unser Wasser weiterhin unzähliche Mikroschadstoffe enthalten, dies ändert sich auch nicht durch die neue Trinkwasserverordnung.
Neben Arzneimittelwirkstoffen im Trinkwasser gibt es auch für andere Stoffe keinen Grenzwert, obwohl diese eine Gefahr für unsere Gesundheit darstellen können. Radon ist ein Beispiel hierfür.
Kontrolle und Einhaltung der Grenzwerte
Kontrolliert werden die Grenzwerte der Trinkwasserverordnung durch das jeweils zuständige Gesundheitsamt. Dies legt die Häufigkeit der Überprüfung von einzelnen Werten fest.

Die Wasserwerke sind nur für die Qualität des zentral aufbereiteten Wassers verantwortlich und dies auch nur für regulierte Grenzwerte und Vorgaben. Bei Überschreiten bestimmten Werte wird das Gesundheitsamt informiert und Maßnahmen beschlossen. Trotzdem bleiben Grenzwerte nur Grenzwerte und viele Schadstoffe sind somit trotzdem im Wasser. Auch der Umstand fehlender Grenzwerte hinterlässt Ungewissheit.
Zusätzlich finden viele Verunreinigungen des Trinkwassers ihren Ursprung ganze normal im häuslichen Wassersystem. Veraltete Rohre aus verzinktem Blei, tote Stränge und alte Dichtungen können die Trinkwasserqualität zusätzlich erheblich verschlechtern. Hier finden keine regelmäßigen Kontrollen mehr statt.
Trinkwasserverordnung 2023 - ein kleiner Schritt nach vorne
Mit einer knappen Verdreifachung an Paragrafen (von 25 auf 72) mutet die neue TrinkwV 2023 zwar wie ein großer Rundumschlag an, doch ihr Inkrafttreten seit dem 24. Juni 2023 stellt leider nur kleinere Anpassungen dar.
Das alte Bleileitungen ausgetauscht werden müssen ist nichts neues, aber die Aufnahme von Grenzwerten für PFAS stimmen positiv.
Problematisch bleiben fehlende Grenzwerte für immer neue in die Umwelt gelangende Wirtstoffe von z.B. Pflanzenschutzmittel oder Medikamenten. Diese haben im Trinkwasser weiterhin absolut nichts verloren. Hier sollten unsere Behörden mutiger und vorausschauender agieren und nicht wie so oft warten bis etwas passiert. Mit dem Innovationstempo der Industrie und Chemie kann weiterhin nicht Schritt gehalten werden.
Sie können sich aber selbst helfen! Um nicht regulierte und auf dem Weg zu ihrem Hahn ins Wasser gelangende Schadstoffe zu entnehmen, empfiehlt es sich sein Wasser direkt am Entnahmepunkt zu filtern.
Quellen & Weiterführende Informationen
- Bundesamt für Justiz (2023) - Trinkwasserverordnung aktuelle Fassung
- Bundesgesetzblatt (2023) - Zweite Verordnung zur Novellierung der Trinkwasserverordnung
- Bundesinstitut für Risikobewertung (2023) - FAQs: Bisphenol A in Alltagsprodukten
- DVGW e.V. - Desinfektionsmittel Chlorat & Chlorid
- US Toxicology Program - Studie zu Haloacetic Acids
- Umweltbundesamt - Empfehlung zu Cyanobakterien
- European Environment Agency - Was sind PFAS und inwiefern sind sie für meine Gesundheit gefährlich?
- Bundesministerium für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMUKN) (2024) - Radioaktivität im Trinkwasser
- Umweltbundesamt (2024) - Datenbank „Arzneimittel in der Umwelt“
- Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz - Spurenstoffe und vierte Reinigungsstufe für Kläranlagen